Olympia 2008 und Menschenrechte in China
Positionen innerhalb des IOC zur Menschenrechtsfrage
Das IOC war bemüht, die Frage der Menschenrechte und der Demokratisierung Chinas beim Auswahlverfahren für die Spiele 2008 nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu rücken. Dies ist vor allem dadurch zu erklären, dass Peking in dem damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch einen wichtigen Unterstützter im IOC hatte, der nicht daran interessiert war, im IOC eine Diskussion aufkommen zu lassen, die Peking in ein allzu schlechtes Licht gerückt hätte.
Unter den Mitgliedern des IOC gab es zwei Denkrichtungen: Die eine besagt, man solle eine Stadt nicht wählen, bevor sie nicht einen gewissen Standard bei Menschenrechten erreicht hat. Die andere glaubt, durch die Wahl zur Verbesserung der politischen Situation und der Menschenrechte erst beitragen zu können, indem man hingeht. Eine weitere Isolierung hält sie für nicht hilfreich. Hinter diesen Ansätzen bewegt sich die Diskussion.
Die Inspektoren des IOC, die im Februar 2001 Peking besuchten, betonten auf Anfrage von Journalisten, dass sie während ihrer Inspektion in allen 5 Kandidatenstädten nur die organisatorische Fähigkeit zur Ausrichtung von Olympischen Spielen beurteilt hätten. PolitischeFragen fänden in ihrem Bericht keine Berücksichtigung.
Die Menschenrechtsprobleme in China wurden sowohl als Argument für (mehr Menschenrechte durch Olympia) als auch als Argument gegen eine Olympiavergabe an Peking (zuerst Menschenrechte, dann Olympia) verwendet.
Am 13. Juli 2001 wurden auf der 112. IOC-Vollversammlung die Austragungsrechte der Olympischen Spiele 2008 an die Stadt Peking vergeben.Während auf den Straßen Pekings gefeiert wurde, wurde die Entscheidung von vielen Menschenrechtsorganisationen, Dissidenten und Exiltibetern kritisiert. Die Reaktionen auf die Entscheidung sprachen von „historischerFehleinschätzung und „Belohnung für ein korruptes Regime“. Sogar Vergleiche mit den Olympischen Spielen von 1936, die von den Nationalsozialisten als Propagandamittel missbraucht worden waren, wurden angestellt.
Von anderen Berichterstattern wurde die Vergabe der Spiele an Peking hingegen begrüßt. Sie könne die chinesische Regierung dazu bewegen, wirtschaftliche und demokratische Reformen nach westlichem Vorbild voranzutreiben und die Menschenrechte besser zu achten. Das Vorbild der Olympischen Spiele von 1988 in Südkorea wurde bemüht, die zu einer Beseitigung des autoritären Militärregimes und zur Demokratisierung des Landes beigetragen hatten.
Zuerst Menschenrechte, dann Olympia
Die Menschenrechte werden sowohl von Gegnern als auch von Befürwortern der Olympischen Spiele in Peking als Argument ins Feld geführt. Vor allem von den Gegnern Pekings in den USA wird häufig der Vergleich mit den Spielen von Berlin 1936 und Moskau 1980 gezogen. Es wird befürchtet, die chinesische Regierung könne die Olympischen Spiele zu einer Propagandaveranstaltung nutzen und so ihr Regime stärken und die Menschenrechtssituation verschlimmern. Der kalifornische republikanische Kongressabgeordnete Tom Lantos äußerte sich wie folgt:
„Hitler benefited enormously from the 1936 Olympics in Berlin. And we know what happened in the years following. The Soviet Union had the Olympics in 1980, and there came nine years of Soviet suppression. I would love to see the Olympics in China… Once their human rights record is cleaned up.“
Vor allem auf Betreiben von Lantos wurde im US-Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedet, die sich eindeutig gegen die Olympischen Spiele in Peking aussprach. Hauptargument darin waren die Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China. Das Europäische Parlament verabschiedete ebenfalls eine Resolution, in der es sich nur für die Olympiavergabe an Peking ausspricht, falls sich die Menschenrechtssituation verbessern sollte:
„[The European Parliament] Invites the International Olympic Committee to reconsider Beijing’s candidacy when the authorities of the PRC have made a fundamental change in their policy on human rights, and the promotion of democracy and the rule of law“
Positive Auswirkungen auf die Menschenrechte?
Die Hoffnung, dass die Olympischen Spiele zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation in China beitragen könnten, wird von den Befürwortern Pekings geäußert. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hofft, die Aufmerksamkeit, die die Olympischen Spiele auf China lenken, könnte zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen:
„We think that the human rights record of a country should be taken into serious consideration by the International Olympic Committee in selecting the site for the 2008 Olympics, but we are not opposed a priori to China getting the Games. Experience with the 1995 U.N. Women’s Conference in Beijing has shown that having thousands of people from around the world in China can focus attention on the country, including on the degree of state control and fear of political protest.“
Die Menschenrechtsvertreter hoffen, dass durch die Austragung der Spiele und die Zusicherung Pekings, sie dürften frei von den Spielen und deren Umfeld berichten sowie durch die erhöhte Aufmerksamkeit der westlichen Öffentlichkeit, die chinesische Regierung dazu gebracht werden könne, die Menschenrechte besser zu achten. Die Verfolgung von Falungong-Anhängern, Dissidenten und die Aufrechterhaltung der staatlichen Zensur könne dem positiven Image schaden, das China durch die Spiele gewinnen will. Die Hoffnung des Westens wird in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung folgendermaßen zusammengefasst:
„Gewichtiger ist das Argument, Olympische Spiele könnten das Land offener machen und quasi im Huckepack Menschenrechte ins Land schmuggeln. Schließlich werde Peking im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen und allein deshalb versuchen, artig zu sein“
Auch eine stabilisierende Wirkung der Olympiade auf den Konflikt mit Taiwan wird von optimistischen Stimmen erwartet. Eine Olympiade in Peking würde die Chance eines Angriffs Chinas auf Taiwan bis zum Jahr 2008 verringern.
Alle Artikel zu Olympia 2008 in Peking:
Die chinesische Mannschaft bei Olympia 2004 in Athen
Olympia 2008 in China und Wirtschaft
Olympia 2008 in China und Menschenrechte
Olympia – Korruption und die Olympiabewerbung