Googles Rückzug aus China
Dass Google diesen Schritt jetzt vollzogen hat, kam sowohl für Beobachter als auch für die chinesische Regierung überraschend.
Google verläßt mit seinem Suchdienst China und leitet alle Suchanfragen von Google.cn auf die Hongkonger Seite um, die eine unzensierte chinesische Version der Suchmaschine anbietet.
Dieser Schritt ist insofern legal, als es in Hongkong liberalere Gesetze gibt. Google benötigt, da die Server sich außerhalb Chinas befinden, keine ICP-Lizenz (Intenet Content Provider Lizenz) mehr und es besteht, wie für alle Webseiten außerhalb Chinas, keine Pflicht zur Zensur.
Allerdings kann es durchaus sein dass die chinesische Regierung als Reaktion auf diesen Schritt die Suchmaschine selbst blockt und für Mainland China unzugänglich macht.
Andere Dienste, die Forschungsabteilung und den Vertrieb will Google jedoch in China belassen.
Die offiziellen Gründe für den Rückzug sind Hackerattacken, die angeblich von 2 chinesischen Universitäten ausgingen und die Internetzensur in China, der sich Google nicht mehr beugen will.
Es kann aber auch gut sein, dass Larry Page und Sergey Brin einfach nur einmal mit dem linken Fuß aufgestanden sind und auf die ständige Benachteiligung gegenüber dem chinesischen Konkurrenten Baidu keine Lust mehr hatten.
Sicht der chinesischen Regierung
Aus Sicht der chinesischen Regierung gibt es einige Ungereimtheiten, so habe Google zum Beispiel keine Beweise für die Hackerangriffe vorgelegt und auch nicht offiziell Anzeige erstattet. Die betroffenen Universitäten bestreiten, dass der Angriff von ihnen ausging. Außerdem habe sich Google 4 Jahre lang an die Gesetze gehalten, es gebe keinen Grund, dies plötzlich in Frage zu stellen.
Am Anfang hieß es noch, nicht nur in China werde zensiert sondern weltweit und die Sache mit Google sei keine politische sondern eine technische bzw. geschäftliche Angelegenheit. Zensur beträfe in China sowieo nur Seiten mit pornographischen, illegalen oder Inhalten, die die soziale Sicherheit gefährdeten. Außerdem brauche China Google nicht, Google würde aber mit China einen großen Markt verlieren.
Später wurde der Ton schärfer, vor allem in chinesischen Medien wurde Google als Handlanger der USA bzw. deren Geheimdienste dargestellt.
Nachdem die Entscheidung von Google einseitig getroffen wurde, wird man wohl bemüht sein, das ganze als geschäftliche Angelegenheit zu interpretieren, die keine Auswirkungen auf die US-chinesischen Beziehungen haben werde.
Wie erfolgreich war Google in China?
Wettbewerbsnachteile in China
Wenn man sich die Geschichte von Google in China und die ungleichen Wettbewerbsbedingungen ansieht, kann man Google China durchaus als Erfolgsstory bezeichnen.
Google wurde vor allem im Vorfeld von wichtigen Ereignissen immer mal wieder zensiert. Zeitweise wurden Anfragen an Google von den Internetserviceprovidern sogar direkt an den Konkurrenten Baidu weitergeleitet.
Baidu hatte als chinesisches Unternehmen die Möglichkeit, eine MP3-Suche einzubinden, die direkt zu Musikdateien führte, wo Nutzer dann zum größten Teil raubkopierte Lieder herunterladen konnten. Chinesische Gerichte entschieden in mehreren Gerichtsverfahren die ausländische Rechteinhaber angestrengt hatten, zugunsten von Baidu – Baidu sei nicht Anbieter der illegalen Downloads, die Dateien seien nicht auf den Baidu-Servern. Die Rechteverletzung sei nur auf Seiten der Anbieter illegalen Musikdateien zu sehen.
Google als US-Unternehmen konnte die MP3-Suche zu meistens illegalen Inhalten natürlich nicht in der gleichen Weise wie Baidu bereitstellen und musste mühsam eine legale Downloadmöglichkeit für Musik aufbauen.
Die MP3-Suche wurde zu Beginn als einer der Hauptgründe für den Erfolg von Baidu angesehen.
Google als Erfolgsstory in China
Je nach Statistik hatte Google zwischen 30 und 40% Marktanteil bei derzeit 380 Millionen Internetnutzern im Reich der Mitte. Der Konkurrent Baidu kam unter viel günstigeren Wettbewerbsbedingungen auf ca. 60% Marktanteil.
Die anderen Konkurrenten (Yahoo und Bing) spielten in China im Suchmaschinenmarkt nur ein Nebenrolle (Marktanteil weniger als 2 Prozent). Wenn man mit einbezieht unter welchen schwierigen Bedingungen Google in China arbeitete, kann man Google in China durchaus als erfolgreich bewerten. In letzter Zeit hatte Google wachsende Marktanteile bei den Suchanfragen.
Was bedeutet der Rückzug aus China für Google?
Am Gesamtumsatz gemessen war natürlich China für Google mit 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr nur ein unbedeutender Markt. Viele chinesische Unternehmen werden auch nach einer Abschaltung von google.cn auf der US-Version Werbung schalten. Allerdings verliert Google eventuell einen wichtigen Wachstumsmarkt.
Welche Folgen hat ein Rückzug für China?
Die chinesische Regierung betonte natürlich, dass Google ein ganz normales ausländisches Unternehmen sei, welches sich an Gesetze zu halten habe. Deshalb würde ein Rückzug von Google keine großen Auswirkungen für China haben. Allerdings wird Google vor allem von gebildeten Chinesen häufiger verwendet und der Wegfall aller Google-Dienste hätte sowohl auf die Internetbenutzer als auch für Portale, die bisher die Google-Suche eingebaut hatten, Auswirkungen.
Baidu wird als direkter Konkurrent natürlich profitieren, ebenso wie Microsoft, das seinen eigenen Suchservice als Google-Ersatz bei Mobilen Betriebssystemen als Suche platzieren könnte.
Chinesische Forscher befürchten, dass mit dem Wegfall des wichtigsten Konkurrenten für Baidu auch der Innovationsdruck sinkt.
Hindernisse für ausländische eCommerce Unternehmen in China
Ausländische Unternehmen sind im eCommerce Bereich in China zahlreichen Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt. Da ist zum einen die Internetzensur. Ausländische Webseiten wie youtube.com, twitter, wikipedia oder facebook sind gesperrt, was es lokalen Unternehmen erleichtert, chinesische Klone aufzubauen, ohne ausländischem Wettbewerb ausgesetzt zu sein.
Des weiteren war es für Chinesen in der Vergangenheit mühsam, Zahlungen online an ausländische Unternehmen zu leisten. D.h internationale Serviceanbeiter ohne Niederlassung in China ist der Zugang zum chinesischen Endkunden oftmals versperrt.
Chinesische und Ausländische Unternehmen mit Niederlassung in China, die eine Webseite innerhalb Chinas betreiben möchten, benötigen eine ICP-Lizenz. (ICP = Internet Content Provider).
Auch für ausländische Unternehmen ist es möglich, eine nicht-kommerzielle ICP-Lizenz zu erhalten. Für einfache Firmenpräsenzen ist eine einfache Anmeldung online möglich.
Wer aber z.B. Online Shops, Foren oder andere zahlungspflichtige Internetservices in China anbieten möchte, benötigt eine kommerzielle IPC-Lizenz.
Ausländische Unternehmen können diese ICP-Lizenz nur erhalten, wenn sie ein Joint Venture gründen und nicht mehr als 50% an diesem Joint Venture besitzen.
Eine Wholly Foreign Owned Enterprise (WFOE) kann in China in der Praxis keine kommerzielle IPC-Lizenz direkt erhalten.
Google hat in der Vergangenheit seine Lizenz von einem chinesischen Partner „geliehen“, ist nach 2006 ein Joint Venture mit diesem Partner eingegangen und hat über dieses Joint Venture eine ICP-Lizenz erhalten.
Andere Unternehmen wie Sina.com, haben teilweise ein Konstrukt von 10 verschiedenen Lizenzen für ihre Online-Dienste, für welche auch wieder verschiedene oder sogar mehrere Behörden gleichzeitig zuständig sind.
Ein weiteres Problem für Ausländische Unternehmen bei der Planung ist, dass jede Provinz die Regelungen anders auslegt. Die Definition, welche Art von Webseiten eine kommerzielle ICP-Lizenz benötigen ist sehr vage.
Diese Bestimmungen und bürokratischen Hürden sind für einheimische Unternehmen natürlich leichter zu verstehen. Lokale Unternehmen haben oft auch bessere Beziehungen zu den Behörden.
Wie sehen Rückzugsszenarien aus?
Ein Unternehmen in China zu gründen ist leichter als es zu schließen. Google kann sein Unternehmen nicht von einem Tag auf den anderen schließen sondern müsste mehrere bürokratische Hürden überwinden und Nachweise erbringen (z.B. regelmäßige Steuerzahlungen, Schuldenfreiheit usw). Anscheinend ist aber eine komplette Schließung von Google in China sowieso nicht geplant.
Die jetzige Form – Umleitung der Suchanfragen auf den Server nach Hong Kong – ist auf jeden Fall sehr Risikoreich, da Google jederzeit wieder geblockt werden kann und die chinesische Regierung über diesen einseitigen Schritt von Google nicht sehr glücklich sein wird.
Des weiteren kann die chinesische Regierung auch andere Google-Dienste in China behindern, die nicht direkt mit der Suche zusammenhängen.
Es kann durchaus sein dass Google den chinesischen Markt komplett verlieren wird, falls die chinesische Regierung entscheidet die Suchmaschine zu sperren.
Eventuell wäre auch möglich, dass die Suchmaschine weiterhin zugänglich bleibt solange nicht nach unerwünschten Begriffen gesucht wird. Es wäre durchaus technisch machbar, dass nur Suchergebnisseiten, welche bestimmte Links oder Begriffe enthalten blockiert werden. Auf gesperrte Seiten kann sowieso nicht zugegriffen werden, selbst wenn diese in den Ergebnissen von Google auftauchen. Google könnte also in Zukunft einfach nicht mehr selbst zensieren – die Zensur würde dann eben wieder die „chinesische Firewall“ übernehmen.