China 2007 – Reisebericht/Travel Report
Reisebericht Teil 1: Jiang Zemin war schon da.
Man konnte gehen, wohin man wollte. Der Typ mit der großen Brille war schon da. Hat eine Fabrik besucht. Tee getrunken. Ein Produkt gelobt. Nutzlose kunstgewerbliche Gegenstände einem Gast geschenkt. Einen See angeschaut. Oder einen Berg. Oder eine Autobahn. Überall hängen Fotos von ihm.
Nie war ich Erster! Keine Chance. Was man so hört, soll er nach seinem Rückzug aus den offiziellen Ämtern noch öfter herumgereist sein.
Reisebericht Teil 2: Mit Rüstung ins Bett?
War ich diesmal besonders dünnhäutig? Die Betten in China sind relativ hart. Fand ich bisher ganz bequem, aber:
Nach der ersten Nacht war mein rechter Ellenbogen aufgeschürft. Nach der zweiten Nacht das linke Knie. Dann (die Mitreisenden schauten beim Frühstück schon ganz erwartungsvoll) der linke Ellenbogen (nur etwas, nicht schlimm). Später keine weiteren Verletzungen. Die Betten und Laken in den verschiedenen Hotels hatten alle etwa den gleichen Härtegrad. Wasser habe ich nicht gemessen.
Lag es im weiteren Verlauf an den angepassten Bewegungen im Schlaf? Wurde die Haut durch die kalten Tagestemperaturen in der ersten Woche widerstandsfähiger? Rätsel über Rätsel. Schreibt doch mal einer was dazu!
Reisebericht Teil 3: Die Hemden-Krise.
Die Woche vorher: Shanghai, 23 Grad, dann 25 Grad, weiter die Küste runter in Guangzhou auch warm, mit Gewitter. Nanjing warm. Heilongjiang und Xinjiang dagegen kalt. Da ist nächste Woche im Osten bestimmt 27 bis 29 Grad drin. Also: Raus mit den langen Hemden und dem Pullover und die Ärmel gekürzt. Bin schließlich schon mehrfach bei steigenden Temperaturen in China mit meinen Pullovern aufgelaufen.
Dann die Landung. Unter 16 Grad. Regen. Wind. Die Frisur hält. Der Mikro-Schirm wird nicht ausgepackt. Könnte ja nass werden. Über die schlechte Sicht freut sich meine neue Kamera. Wie war das noch mal mit der Durchschnittstemperatur auf dem Huangshan? 8 Grad im April, 10 im Mai. Brrrrr! Wie lange reichen meine Hemden? Wie sieht es aus, wenn ich mehrere übereinander anziehe? Vielleicht abwechselnd vorne und hinten geknöpft. Das stabilere Sakko darf vorher nicht nass werden. Zusätzliche Klamotten kaufen? – Auf keinen Fall! Lieber krank und mehr Transportkapazität für Bücher.
Das Wetter wird besser. Warm. Die Sonne kommt durch. Kein Wind. Auf dem Berg habe ich zwei T-Shirts drunter an und schwitze. Soll ich eines davon öffentlich ausziehen? Mr. Bean hat mal seine Badehose durch die Hose angezogen.
Nach dem Rückflug noch ein kleiner Anschlussurlaub in Deutschland. Laufe mit kurzen Ärmeln durch Erlangen. Die Jacken sind schon im Auto. 16 Grad. Regen. Wind. Die Frisur hält immer noch. Beim Auspacken finde ich sogar noch ein überzähliges Hemd. Nichts mehrfach durchgeschwitzt und immer passende Farben. Hat jemand etwas von Krise gesagt?
Reisebericht Teil 4: Wie viele Stufen noch?
Die Huangshan-Seilbahn (Made in Austria) ist talwärts ausgebucht. Wartezeit mindestens zweieinhalb Stunden. Wie lange läuft man? – Zweieinhalb Stunden. – Na, dann laufen wir doch!
Es sind tausende Treppenstufen. Alle unter zwanzig Zentimeter kurz. Entweder man läuft auf den Zehenspitzen oder auf den Absätzen. Kleiner Tipp: Bei jedem zehnten Schritt das Bein ausschütteln. Sonst ist man unten (also, wenn man ankommt…) kürzer.
Beeindruckend: Weil die Seilbahnen mit den Touristen beschäftigt sind werden die meisten anderen Transporte von der lokalen Bevölkerung über die Treppen abgewickelt. Diesel, Gasflaschen, ganze Herde, Baumaterial, Gemüse hoch, Wäsche von den Hotels nach unten. Die gute alte Tragestange. Mit Stützstange für die Pausen. Die Träger machen in einer Schicht nur einen Auf- und Abstieg. Ich finde, das reicht. Auch Tragstühle werden angeboten, von uns aber stolz abgelehnt.
Der Muskelkater bleibt (wie schon früher bei der Mauer) aus. In den folgenden Tagen gibt es nette Fotos von den Kolleginnen mit den modischen Schuhen. Man stützt sich gegenseitig. In Nanjing stehen wieder Treppen auf dem Programm. Die stecke ich locker weg.
Reisebericht Teil 5: 4 – 10 – 7 – alle gleich?
Dass im Osten um Shanghai die Aussprache abweicht und gerne mehr gezischt wird wissen wir ja schon. Beim Kauf einer Flasche Grüntee im Hotel war ich über den guten Preis erstaunt: „si4 Yuan“ (4). Auf meinen 10-Yuan-Schein bekam ich kein Wechselgeld. Ich fragte noch mal. Wieder die gleiche Silbe. Gemeint waren „shi2“ (10) Yuan. Also aufgepasst: 4 und 10 werden oft vollkommen gleich ausgesprochen.
Ein paar Tage später kam in Anhui noch etwas dazu. Diesmal wären 7 Yuan fällig gewesen. Zu hören bekam ich aber wieder „si“, diesmal ohne Akzentuierung. Jetzt ist auch noch die 7 (qi1) der Vereinheitlichung zum Opfer gefallen. Wohin wird das führen? Die 1 (yi1) ist der nächste Kandidat. Arme Eins! Ich trauere ihr schon jetzt nach. Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Kurz darauf war das 7-Phänomen auch in Jiangsu zu beobachten. Grassiert eine Epidemie? Die Aussprache-Grippe? Ich gehe davon aus, dass sie durch die Luft übertragen wird und zuerst die Ohren angreift. Dann das Gehirn. Weitergegeben wird sie über infizierte Stimmbänder.
Der Busfahrer aus Suzhou war für mich übrigens fast gar nicht zu verstehen. Seine Gesprächspartner aus der Umgebung dagegen sehr gut. Er hat sich wahrscheinlich nicht viel Mühe gegeben. Aber gefahren ist er sehr gut.
Reisebericht Teil 6: qing ming shang he tu für unterwegs kaufen.
Meine Lieblings-Bildrolle gibt es jetzt auch für die Westentasche. Im Original ist sie nur knapp über 25 cm hoch. Auf billigem Papier gibt es zwei verkleinerte Versionen. So kann ich die kleinste immer mitnehmen. Im Auto, beim Sport (nur hypothetisch – ich steige höchstens Treppen), beim Essen: nie mehr werde ich ohne sein!
Schnell mal aufrollen und nachsehen. Ja, noch alle Figuren da.
Reisebericht Teil 7: „Hello! Do you speak english?“
In einem Laden, in dem ich eigentlich gar nicht sein wollte, wurden wir ständig gefragt „Do you speak english?“ Geantwortet hat niemand etwas. Gekauft auch nicht. Aber die aufdringlichen Fragen gingen weiter. Am liebsten hätte ich gesagt „Jintian women shuo fayu. Mingtian wo bu zhi dao.“ Aber Domasla hat sich gerade noch höflich zurückgehalten. Müde herumgestanden, dann schnell zurück in den Bus.
Wir hätten örtliches Kunsthandwerk kaufen sollen. Steine, etwa 3 m breit und 1 hoch. Keine Ahnung, was so was wiegt. Als Handgepäck für das Flugzeug sicher nicht geeignet. Es gab, wie immer in diesen Läden: Alles. Alle chinesischen Motive. In allen Materialien (hier: Stein). In allen Größen. In allen Geschmacksrichtungen (für mich: geschmacklos).
(hier ein kleiner grauer Kreis, aus dem im weiteren Verlauf ein Steingesicht herausgeschnitten wird, ziemlich grobe Zähnchen, aber grinsend – das bleibt eine zeitlang stehen und wird dann wieder zum unbearbeiteten Steinzeit-Rad)
Reisebericht Teil 8: Kinder essen Busse.
Auf dem Parkplatz beobachtet, wie ein Mädchen in einem Transportfahrzeug mit Stäbchen am Fenstermechanismus herumgespielt hat. Dass der Kofferbus anschließend gegessen wurde entspringt meiner grenzenlosen Phantasie.
Zubereitet und angeboten wurde aber eine unschöne Masse: Stinkender Doufu. Dem Geruch nach wirkt es sich auf die benachbarten Läden geschäftsschädigend aus. Unvorstellbar, dass jemand so was essen könnte. Vegetarisch ist das nicht mehr. Zumindest spielt es keine Rolle mehr. Eigentlich ist es ein interessantes Baumaterial. Zum Export in weit entfernte Kontinente. Brrr. Igitt! Teer riecht besser.
Sonst war das Essen sehr gut. Die einfachsten Gerichte waren die besten. Zum Beispiel eine Portion Gemüse-Jiaozi für 35 Cent in einem unterirdischen McChinalds in Shanghai. Die Getränke waren meistens etwas teurer.
Reisebericht Teil 9: Einem schönen Feuerwerk zuhören.
Am 18. April ist Feuerwerk. Auch in Yangzhou. Am Nachmittag sind aufwendige Vorbereitungen zu beobachten. Am Abend knallt es plötzlich vom Stadtrand her hinter dem Taxi. Und dann aus allen anderen Richtungen. Oh, wie aufmerksam. Das wäre doch nicht nötig gewesen! Wegen der Häuser sehen wir wenig. Aber der Wille zählt und wird wohlwollend zur Kenntnis genommen. In der Innenstadt gibt es schließlich vom schmalen (schlanken) Westsee her doch noch etwas zu sehen. Sehr ansprechend!
Yangzhou ist sehr zu empfehlen. Der Park um den schmalen Westsee hat einen noch besseren Eindruck gemacht als die kleinen Gärten in Suzhou. Ist auch mit einer anderen Ausrichtung angelegt worden.
Touristisch nicht so überlaufen wie Nanjing oder Suzhou in der Nähe. Trotzdem viel los. Nachts interessante Einkaufsmöglichkeiten. Taschen? Die Altstadt ist dann wie ausgestorben. Schöne Wege und Kanäle.
Tagsüber gab es an den Zugängen zum See auch ein Dauer-Feuerwerk: rosa und hellblaue – auf jeden Fall grelle – Plüschtiere. Auch Monster, Krokodile und so weiter. Die örtlichen Bauern bieten diese gleichzeitig mit dem Obst zum Kauf an.
Reisebericht Teil 10: Bei der Tee-Fahndung.
Bei dieser Reise haben mehrere Personen verdächtige Plastiktütchen mit kleinen grünen Körnern über Grenzen geschmuggelt. Es waren Proben unserer Lieblingstees. Wir haben dringend Nachschub gebraucht. Meinen habe ich im Jahr vorher in Beijing gekauft. Ein S U P E R Aroma! Ich wusste nur, dass er aus Fujian stammt. Namen hatte ich keinen. Aber das Muster immer dabei.
Wir durchstreiften Teeläden, fachsimpelten und gingen auf Diskussionen ein. Zuerst einen Jasmintee in Kugelform in Hangzhou. Die Verhandlungen wurden zu je einem Viertel auf deutsch und chinesisch und zur Hälfte auf schwyzerdütsch geführt. Das Konzept ging auf. Alle Parteien waren zufrieden. Trotzdem: „Das war aber keine richtige Teedegustation!“ – „Ja, der Tisch war zu hoch…“
Der Grüntee wurde am Drachenbrunnen in der Nähe von Hangzhou gekauft. Schön frisch, duftend, kräftig. Daneben noch etwas eigenhändig gepflückt. Als Souvenir.
Für das Tütchen mit meinem mitgebrachten Schmunzelkraut habe ich in Tungxi am Huangshan in Anhui einen Verwandten gefunden. Trotz meiner Warnung, dass die Qualität nicht ganz an die letzte Ernte herankommt, haben meine Begleiter hemmungslos gekauft. Ich ja auch. Die Teehändlerinnen konnten nicht verstehen, dass wir über ein Kilo Wulong der gleichen Sorte wollten. Mit Ginseng-Aroma. Für die Probe haben sie viel zu viel Blätter in das Glas gefüllt. Der Geschmack war sehr schnell da, aber was für eine Verschwendung! Andere Tees konnten uns nicht begeistern. Man wird sehen. Ich habe noch zwei Sonntagsrationen zuhause, die verbraucht werden müssen, bevor die erste frische Dose dran ist.
Den Chrysanthemen-Tee (eine Spezialität aus Zhejiang und Anhui) habe ich Jahre vorher in Hong Kong als viel zu stark gesüßtes kaltes Erfrischungsgetränk (Erfrüschungsgetränk) für den Sommer kennen gelernt. War immer wieder ganz exotisch, aber muss ich warm nicht haben. Schmeckt für meinen Geschmack zu stark Richtung Kamille. Beim Kauf zurückgehalten. Ich hoffe nur, ich habe niemandem mit meiner Begeisterung beim Erkennen des Aromas mitgerissen. Das habe ich auch schon in Deutschland gemacht, als ich in einem Restaurant überraschenderweise original eingelegtes Gemüse entdeckte. Geschmeckt hat mir das Zeug deshalb auch nicht. Aber die Authentizität muss doch irgendwie gewürdigt werden!
Reisebericht Teil 11: Über das Fotografieren von Fotografen.
Sie waren überall. Und sie traten in Massen auf. Reisegruppen, landwirtschaftliche Kollektive, Pärchen, Schulklassen. Sie fotografierten alles und jeden. Und sie wurden fotografiert. Wie lustig manche Menschen aussehen, wenn sie ein Auge zukneifen. Aber gleich den Mund dabei aufmachen? So ähnlich habe ich mir bis jetzt die Japaner vorgestellt. Aussteigen, knipsen, ausschwärmen, abdrücken, sich gruppieren, fotografieren, einsteigen, noch mal schnell den Auslöser betätigen.
Chinesen zeigen gerne die „Acht“, während sie geknipst werden. Oder hat sie Winston Churchill inspiriert? Oft halten sie sogar beidhändig die Victory-Finger hoch. Damit kann man nur auf sich aufmerksam machen, wenn es nicht gerade alle tun.
Meine Lieblingsfotos sind die, auf denen sowohl der Fotograf als auch das Motiv zu sehen ist. Oder mehrere Fotografen, die alle auf das gleiche Ziel halten. Oder mehrere Fotografen mit ihren jeweiligen Opfern vor einem dekorativen Hintergrund. In der Digitalkamerazeit kommt noch der stolze Kontrollblick des Jägers beim Taxieren seiner Beute dazu. Leider klappt es nicht immer, die Schärfe gleichzeitig auf das Motiv und auf das Kamera-Display abzustimmen.
Wir mussten bei wildfremden Menschen mit aufs Bild. Langnasen sind in China gar nicht mehr so selten, aber sie gehören unbedingt zur Beute. Wie Brücken, Tempel, Einkaufstempel, Berge oder Schilder. Blondinen bevorzugt.
Einige dörfliche Ausfluggesellschaften werden sich bei ihrer Heimkehr wundern. Wer ist der Typ in der hinteren Reihe? Kennt den jemand? Gehört der zu unserer Gruppe? Da hat sich doch jemand angeschlichen und im passenden Moment – klick – sein Köpfchen durchgeschoben…
Reisebericht Teil 12: Hello!
Kinder werden dazu angehalten, auf der Straße Ausländer anzusprechen. Die nächste Generation der Souvenirverkäufer steht also schon in den Startlöchern. „Hello!“ (und gleich hinter den Erwachsenen verstecken). Die großen, merkwürdig aussehenden Ungeheuer beugen sich herunter und kommen dabei immer näher. Igitt! Diese Haare, die komischen Nasen und dann noch die unheimlichen Bärte (um die Eltern herumlaufen und immer noch verstecken). Die Eltern grinsen freundlich und meinen, dem Nachwuchs einen Gefallen getan zu haben (noch einen Blick auf die außerirdischen Monster, an der Hüfte vorbei). „Meine Gören werden mal reich und berühmt. Sie haben schon jetzt ausländische Geschäftspartner!“ („Wenn ich die Augen schließe, gehen die dann weg?“)
So. Und wie jetzt weiter? Auf ein längeres Gespräch sind sie mit diesem beschränkten Wortschatz einfach nicht vorbereitet. Die Situation ist für dieses Alter auch nicht altersgerecht. Und für Straßen-Unterricht werden wir nicht bezahlt.
Ganz anders die angestellten Jung-Verkäufer. Die können nie Englisch, wenn man mal ne komplizierte Frage hat. Zum Beispiel was das „DSD“ bedeutet, das auf jeder Audio-CD steht. Habe ich schon wieder einen Standard verpasst? Ja, „Direct Stream Digital“. Das kann ich auch lesen. Aber was ist das. Kann ich das abspielen? Dabei sollte jeder die Sprache in der Mittelschule gelernt haben. – Voilà Monsieur Leroc. – Oder so ähnlich.
Wird man nicht angesprochen, ist man trotzdem Gesprächsthema. Schnell mal im Vorbeilaufen „Wai guo ren, wai guo ren!“ der Mama ins Ohr geflüstert. – „Dui!”, kann ich da nur sagen. Wo die Kleene recht hat, hat sie recht.
Reisebericht Teil 13: Das Mitbringsel.
Weshalb war ich überhaupt in China? Vorher habe ich Aufträge gesammelt. Einer war: „Onkel, bringst du mir eine Halskette mit?“ – „Na klar!“
Der Onkel geht also in Hangzhou in einschlägige Etablissements. Goldläden? Juweliere? Schmuckgeschäfte (Schmückgeschäfte)? – Nein. Modeschmuck und Zier-Utensilien. Da, wo die Jüngeren hingehen. Die Jüngeren? Da sind gut und gerne auch Dreißigjährige dabei! Ach, was sage ich? Älter.
Ansonsten stürmen Scharen von Schülerinnen die Plastik-Supermärkte. Es gibt Haargummis, Ohrringe, Clips, Broschen, Ketten, Täschchen, kleinere Täschchen, Lippenstift-Etius, Spiegel, Lippenstift-Etuis mit Spiegel. Es wird viel ausprobiert und lange beratschlagt, was man nehmen soll. Der Onkel fällt natürlich auf. Kauft der das für sich selber? Er sieht gar nicht so aus. Was interessiert den Ausländer? Was mache ich, wenn er mir eine Frage stellt? In Englisch? Die Fragen fallen dann wirklich in einem ausländischen, weil hauptstädtischen Dialekt aus. Gibt es das auch in anderen Farben? Kann ich das da oben noch mal sehen? Hm… Nein, das Armband ist für ein Kind zu groß. Ja, sehr schön, aber zu teuer.
Die Verkäuferinnen und Kundinnen beginnen sich nicht mehr für die Waren zu interessieren. Die Menschentraube vergrößert sich und engt den Handlungsspielraum ein. Aber da hat der Onkel auch schon die richtigen Verzierungen gefunden: Eine Kette und zwei … sind es Broschen oder Haarclips? Rosa Schmetterlinge kommen bestimmt an. Und der Anhänger hat eine schöne Form. Elegant geschwungen, nicht zu symmetrisch. Und glitzern tut er auch. Dann gibt es in einem Laden noch ganz billige Sachen. Hauptsache rosa! Es muss ein Haargummi (eigentlich ist es bei dieser Größe eine Haarmanschette) und ein Täschchen mit. Damit die Dame und ihre Kindergarten-Freundinnen wieder spielen können, was sie für eine Modenschau halten.
Nach dem Rückflug (im Flugzeug kann ich nicht schlafen, der Zug kam etwas nach 23 Uhr an) steht pünktlich um 7 Uhr jemand vor meinem Bett.: „Onkel, da, wo du warst, gab es noch etwas? Oder war alles ausverkauft?“
Schöne Begrüßung! Der Anhänger hat übrigens den Umriss einer roten Erdbeere.
Reisebericht Teil 14: Geräusche in Hotelzimmern.
Nein, nein! Nicht, was Sie schon wieder denken. Neben der Reibung von Haut auf dem Bettlaken (scheuer, knirsch, knarz, rumpel, polter, schepper) fiel eine Vielfalt akustischer Reize an.
Die Verkehrsgeräusche waren meist landestypisch. Unabhängig von Isolierung und Stockwerk. Da fällt mir eine kombinierte Beijing-Shanghai-Reise ein: In Beijing schlief ich einige Nächte im zweiten (ersten) Stock. Mit Gehupe (rund um die Uhr) und Speichermegaphonen von Straßenhändlern (6 bis 22 Uhr) unter meinem Fenster. In Shanghai war ich dankbar für das Zimmer im 15. (16.) Stock. Abseits von Hauptverkehrsstraßen. Zumindest was Autos betraf. Direkt am Hafen hörte man auch die Signalhörner von Schiffen ziemlich gut, bis nach oben.
In einem Hotel war es in der Nacht relativ ruhig. Erst um etwa 3 Minuten vor sechs Uhr hupte jemand. Und eröffnete damit schlagartig die Straßenverkehrs-Kulisse. Am nächsten Morgen das gleiche Muster. Wenn ich nachts aufwachte war trotz angestrengten Horchens nichts zu hören. Wieder ziemlich genau zur gleichen Zeit ging’s los. Aufgestanden und zum Fenster gewankt.
Halt. Noch die Brille aufsetzen. Ja, so geht’s. Seltsam, auf der Straße ist noch relativ wenig Verkehr. Die tun aber schon so, als ob sie eine größere Anzahl Autos vertreten müssten. Vielleicht hupen die Fahrer nur, um in Übung zu bleiben. Oder um selber wach zu werden. Auf dem Fluss sind Fischerboote. Schnell wieder zurück und die Kamera auspacken. Zu langsam. Nur noch ein Boot stehen geblieben, aber das muss dran glauben. Dann eben mit Zoom bildfüllend gemacht.
Die Nacht in Nanjing war gespenstisch ruhig. Innenfenster zur Dachterrasse. Ich konnte nicht einschlafen, weil die Matratze Atemgeräusche weitergab. Lautere waren nicht auszublenden und auf leise muss man sich erst mal einstellen.
Landestypisch ist es ebenfalls (nach meiner Erfahrung bezieht sich das auch auf andere Länder), dass nachts (1 bis 5 Uhr) gut gelaunte Gäste auf dem Weg zum Zimmer ihren Begleitern wichtige Mitteilungen zu machen haben. Das tun sie sicherheitshalber so laut, dass man an jedem Zimmer auf ihrem Weg klingeln und sich die Nachricht wiederholen lassen könnte, sollte sie nicht verstanden worden sein. Fernseher mit voller Lautstärke zu betreiben hebt nicht immer die Programmqualität.
Eine Hochzeitstorte auf dem Flur bedeutet nichts Gutes. Nicht, wenn man den Film „Das Hochzeitsbankett“ gesehen hat. Anscheinend war eine Betten-Belagerungsgesellschaft im gegenüberliegenden Zimmer. Die wurde aber um 11 ausbezahlt und ist gegangen. Brav!
In den meisten Hotels habe ich die Minibar ausgeschaltet. Anfangs hat es mich genervt, als nachts halbstündig der Kompressor ansprang. Später ergriff ich die Prophylaxe und suchte schon in wachem Zustand und mit Brille den Schalter. Vorher kontrolliert, ob Schmelzwasser auslaufen oder keimen könnte. War aber nie der Fall.
Wan an! – Gute Nacht!