Die Rolle des Militärs in China
Das Militär in der Volksrepublik China ist keine politisch neutrale Armee wie in liberalen Demokratien. Die Armeeführung und die Politik sind eng miteinander verbunden. Dieser Zustand nahm seinen Anfang bereits in den Zeiten des Bürgerkrieges vor der Ausrufung der Volksrepublik China, als die KPCh im Prinzip mit der Armee identisch war.
Bereits zweimal hat die Volksbefreiungsarmee (VBA) die Partei aus einer Krisensituation gerettet und das Machtmonopol der Partei im Staat wiederhergestellt, einmal während der Kulturrevolution das zweite Mal bei der Unterdrückung der Studentenbewegung im Jahre 1989.
Einerseits ist die Führung der Armee in die Partei und in die politische Führung eingebunden, andererseits kontrolliert die Partei die VBA durch ein System von Parteiorganen auf allen Kommandoebenen. Hohe Führungspersönlichkeiten versuchen, sich die Unterstützung der Armee zu sichern, um ihre Machtpositionen in der Partei zu halten. Dies ist wichtig, da viele Führungskräfte wie Jiang Zemin, Li Peng, Zhu Rongji oder Hu Jintao keinen militärischen Hintergrund mehr besitzen wie dies noch bei Deng Xiaoping der Fall war, der während des Bürgerkrieges als Politkommissar der 2. Feldarmee gedient hatte. Während der Kulturrevolution und seines politischen Wiederaufstiegs nach der Verhaftung der Viererbande wurde Deng Xiaoping massiv vom Militär unterstützt.
Trotz fehlender militärischer Erfahrung konnte sich z.B. auch der frühere Staatspräsident Jiang Zemin, gleichzeitig Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, ein Beziehungsgeflecht in der VBA aufbauen, unter anderem durch seine nachhaltige Unterstützung von Etaterhöhungen, Kontakte zu Generälen durch seine Arbeit in der Militärkommission oder personelle Umstrukturierungen im Offizierskorps.
Obwohl sich die politische Führung zwar der Unterstützung durch die VBA sicher sein kann, hat ihr Parteikontrollsystem auf unterer Ebene an Effizienz eingebüßt. Im Bereich der ideologischen Schulung, dem organisatorischen Leben der Partei und der straffen Leitung der politischen Arbeit auf unterer Ebene wurden jedoch erhebliche Mängel beklagt.
Die chinesische Armee als Wirtschaftsunternehmen
Die Bedeutung der VBA bleibt nicht mehr nur auf die Politik beschränkt, sondern sie hat sich auch zu einem bedeutenden Wirtschaftsunternehmen und Produktionsfaktor entwickelt. Sie besitzt sowohl reguläre Großunternehmen, die vor allem im Bereich des Waffenhandels tätig sind und nach internationaler Kritik ihre Arbeit auch auf andere Bereiche ausgeweitet haben, als auch illegale Unternehmen, in denen es oft zu Konflikten mit den regionalen zivilen Verwaltungen kommt und die nicht von höherer Ebene genehmigt worden sind.
Ablenkung von ihrer militärischen Ausbildung durch Inanspruchnahme für wirtschaftliche Aktivitäten, Korruption, willkürliche Maßnahmen von regionalen Militärführern zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen und ein schlechter werdender Ruf der VBA sind die Folge. In jüngster Zeit ist es der Regierung allerdings gelungen, die wirtschaftlichen Aktivitäten der Armee einzudämmen.
Das Beispiel der Sowjetarmee
Ein weiterer Faktor für die Rolle, die die Armee in China spielt, ist das Schicksal der Sowjetarmee nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion. Die Armee hat den Zusammenbruch des kommunistischen Systems nicht verhindert, frühere Strukturen wurden aufgelöst und die einst stolze Rote Armee ist nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Unterversorgung und Verwahrlosung militärischer Ausrüstung, Korruption, Kriminalität in der Armee – durch diese Vorkommnisse sind die Militärs in China durchaus gewarnt und sich bewusst, dass die Macht des Militärs eng mit der Machterhaltung der Kommunistischen Partei Chinas verknüpft ist.